Von der Dialyse zum Marathon
Wie André aus dem Ende einen Anfang machte
Auf den ersten Blick würde man kaum vermuten, dass er mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat: Ein sportlicher Mann Anfang vierzig, der als Video-Editor arbeitet und in seiner Freizeit für Marathons trainiert. Aber André Foligno hat weitaus mehr überwunden als die meisten anderen, um an diesen Punkt zu gelangen. Nachdem er mit 28 Jahren die Diagnose chronisches Nierenversagen erhielt, musste er sich sein Leben komplett neu aufbauen. Und lernen, wie er dieses Leben in vollen Zügen genießen kann. Das ist Andrés Geschichte, in seinen eigenen Worten.
Wie kamen Sie damals zu Ihrer Diagnose und wie ging es danach weiter?
Bis heute kenne ich die eigentliche Ursache für meine Nierenerkrankung nicht. Ich hatte nur extrem hohen Blutdruck – und nach unzähligen Untersuchungen stellten wir fest, dass ich an chronischem Nierenversagen litt. Der Schaden war bereits angerichtet. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir nichts mehr tun, um meine Nieren zu retten. Glücklicherweise bekam ich nur wenige Monate später eine Nierentransplantation von meinem Onkel. Das Transplantat hielt viereinhalb Jahre, aber dann musste ich mit der Hämodialyse beginnen. Das war eine enorme Umstellung und es hat mehrere Monate gedauert, bis ich das Ganze emotional verarbeitet hatte.
Was waren die größten Herausforderungen als neuer Dialysepatient?
Mir hat vor allem die eingeschränkte Wasserzufuhr zu schaffen gemacht. Wenn man sich einer Hämodialysebehandlung unterzieht, uriniert man meistens nicht mehr und lagert die Flüssigkeit im Körper ein. Man muss also aufpassen, dass man nicht zu viel trinkt. Deshalb habe ich mit dem Laufen angefangen: So konnte ich mehr Wasser trinken, weil ich dabei stark schwitze. Aber dann habe ich gemerkt, dass Laufen noch so viel mehr ist: Ich bin zu 100 % im Moment, nehme meinen Körper und Geist ganz bewusst wahr. Am Ende bin ich körperlich erschöpft, aber mental erfrischt. Für mich ist Laufen wie Therapie.
Wie sieht Ihr Alltag mit Dialyse heute aus?
Ich werde seit Beginn bei Fenix Nefrologia in Sao Paulo behandelt. Im ersten Monat musste ich einen Dauerkatheter verwenden, und dann haben wir zur Fistel gewechselt. Jetzt arbeiten wir mit der HDF-Methode auf Fresenius-4008-Geräten. Dabei betreut mich ein interdisziplinäres Team aus Fachkräften für Ernährung, Kardiologie, Physiotherapie, Infektionskrankheiten und Psychologie. Die Behandlung ist sehr effektiv und gibt mir die nötige Sicherheit, um ein „fast normales" Leben zu führen. Inzwischen ist die Dialyse wie ein Job für mich: Morgens gehe ich in die Klinik und bin dort zwei Stunden für meine Dialysebehandlung. Danach absolviere ich mein Training – zweimal pro Woche Krafttraining, dreimal pro Woche Laufen. Nach dem Training komme ich gegen 11 Uhr nach Hause und gehe den Rest des Tages an. Die Dialyse gehört jetzt einfach zu meiner Routine, sie stört mich nicht mehr wirklich. Nur das Reisen kann ziemlich schwierig sein. Denn ich kann nur an Orten bleiben, wo eine Klinik in der Nähe ist. Ich würde wahrscheinlich viel mehr reisen, wenn ich nicht auf die Dialyse angewiesen wäre.
Was hat Ihnen am meisten geholfen, das Leben mit der Dialyse zu meistern?
Es gibt sicherlich viele Faktoren, die eine Rolle spielen. Aber die Unterstützung durch meine Familie war vor allem am Anfang sehr wichtig. Natürlich ist auch die Behandlung, die ich vom gesamten Team in meiner Klinik erhalte, essenziell. Das alles half (und hilft mir immer noch), positiv zu bleiben und nie zu vergessen, dass es so viel gibt, wofür es sich zu leben lohnt.
Haben Sie einen Rat für andere Dialysepatienten?
Stay positive! Denkt daran, dass die Dialyse euch am Leben hält und euch ermöglicht, so viel zu erleben. Natürlich gibt es Schwierigkeiten, aber wer hat keine Schwierigkeiten? Solange wir leben, sollten wir versuchen, so gut wie möglich zu leben – also das tun, was uns Freude bereitet, und uns mit freundlichen, glücklichen Menschen umgeben. Denn wenn du von freundlichen, glücklichen Menschen umgeben bist, dann bist du einer von ihnen.
Gibt es Vorurteile gegenüber der Dialyse, die Sie gerne ausräumen würden?
Viele Menschen denken, dass die Dialyse das Ende des Lebens bedeutet. Dabei ist sie eigentlich ein Neuanfang! Es gibt diese Vorstellung, dass sich Hämodialysepatient:innen immer schwach und krank fühlen, aber das stimmt absolut nicht. Wir können fast alles tun, was ein „normaler" Mensch auch tut. Wir müssen eben nur ein paar zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen.
Wie kann Ihrer Meinung nach die Dialyse in Zukunft verbessert werden? Gibt es konkrete Änderungen, die Sie sich für das Gesundheitssystem wünschen?
Ich habe Glück, weil ich mich in einer guten Privatklinik behandeln lasse. Aber für die meisten Betroffenen in Brasilien ist das nicht die Realität. Die öffentlichen Mittel sind begrenzt, und wir haben hier nach wie vor viele schlecht ausgestattete Kliniken. In einer idealen Welt sollten alle eine Behandlung wie meine bekommen. Und wir könnten überall auf der Welt mehr forschen, um Heilmittel oder weniger invasive Behandlungsmethoden zu entwickeln. In letzter Zeit gab es Fortschritte bei der Xenotransplantation (d. h. bei der Verwendung von Nieren von genetisch veränderten Schweinen). Dies könnte der endlosen Warteliste für Transplantationen ein Ende setzen (ich warte nun schon seit 5 Jahren). Es gibt auch eine Studie über künstliche Nieren in den Vereinigten Staaten – aber es wird noch lange dauern, bis wir wissen, ob (und wie) das funktionieren könnte. Ich bin auf jeden Fall zuversichtlich, dass sich in den kommenden Jahren einiges verbessern wird.
Ihre Resilienz und Lebenseinstellung sind beeindruckend. Was waren Ihrer Meinung nach bisher Ihre größten Erfolge?
Einen Marathon zu absolvieren (und das als Dialysepatient) ist definitiv etwas ganz Besonderes! Ich habe hart dafür trainiert, und das Überqueren der Ziellinie war unfassbar aufregend und bereichernd. Und trotz chronischer Krankheit ein schönes Leben führen – das ist auch eine große Leistung, finde ich.
Definitiv! Last but not least: Haben Sie sich bestimmte Ziele für die Zukunft gesetzt?
Mein Hauptziel ist es, ein neues Transplantat zu bekommen. Damit könnte ich mehr reisen und unternehmen, ohne mir ständig Gedanken um die Dialyse zu machen. Ich habe vor, nächstes Jahr wieder einen Marathon zu laufen, und ich träume auch davon, eines Tages einen Major zu laufen. Aber mein größtes Ziel ist es, meine psychische Gesundheit und meine Lebensfreude zu erhalten – gemeinsam mit meiner Verlobten, wir werden dieses Jahr heiraten!